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Autor Betreff: Unity III - Besprechung
Benway




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Motto: fire walk with me

[*] Verfasst am: 14.4.2007 um 10:05


Tja, jetzt habe ich es auch gelesen und muss schon sagen, ich bin ziemlich begeistert. Der Schreibstil hat im Vergleich zu "Unity II" noch mal einen großen Sprung nach vorne gemacht, man wird längst nicht mehr so oft daran erinnert, dass man eigentlich einen verkappten Film am Bildschirm liest und va Gesprächssituationen wirken auf mich jetzt viel flüssiger als noch in Unity II.
Aber viel wichtiger: der Text funktioniert für mich einfach. Unity 1 und Unity II waren für mich in weiten Teilen eher "Bedarfsdeckungsliteratur", soll heißen ich wusste eigentlich die meiste Zeit über ziemlich genau, was ich zu erwarten hatte und hab mich dann gefreut, wenn es eingetreten ist. Bei Unity III war es andersherum...da hat der Text mich mitgerissen, mit mir verschiedene Möglichkeiten durchgespielt, wie sich eine Gegenwelt vielleicht verwirklichen ließe und jedesmal wenn ich mir sicher war, jetzt erkannt zu haben, worauf das ganze Buch abzielt, brach wieder eine scheinbare Gewissheit einfach so weg und man steht wie Yaominh am Ende ziemlich verlassen da.
Man könnte jetzt schreiben, Unity III wäre das "reifste" Werk, das dian bisher zustandegebracht hat...aber so eine Einschätzung würde der ganzen Unity-Ideologie natürlich böse zuwiderlaufen ;)...und ganz richtig wäre sie sowieso nicht. Unity III ist durchdacht, aber nicht durchkonstruiert. Man merkt auf jeder Seite, dass eine Menge Herzblut in dem Roman steckt, dass die Figuren als Menschen (und gefallene Engel ;)) aus Fleisch und Blut angelegt sind und meistens auch so rüberkommen, dass nicht nur irgendwelche theoretischen Gedankengebäude durchgespielt werden, sondern Ideen mit einer enormen Bedeutung für den Autor (und für die meisten Leser hoffentlich auch)...deswegen kann am Ende auch nicht einfach resigniert werden, sondern es wird weitergekämpft, obwohl dian natürlich auch keine Lösung anbieten kann...Feuer brennt eben.
Unity III hat ein wenig von dians Magnum Opus, die Essenz von Unity 1+2 ist darin auf jeden Fall enthalten und noch viel mehr...1+1=3 oder so...dass am Ende doch keine Lösung für alle Möchtegern-Gegenweltler präsentiert werden kann, ist so natürlich auch doppelt enttäuschend...
Jetzt muss ich aber dringend noch Kritik anbringen, nur Schleimen geht nicht, sonst wird das noch zur schlechten Angewohnheit: wie in Unity 1 und II wirken manche Abschnitte nicht wirklich häufig überarbeit und korrekturgelesen, manches liest sich sogar wie nachträglich noch hinzugefügt, so dass sich der Text stellenweise doch arg wie Flickwerk anfühlt (Frage an den Autor, wenn der mitliest: war der Bewahrer-Handlungsstrang von Anfang an Teil des Plans?) und manches wird dem einen oder anderen Leser auch unnötig vorkommen...mir zum Beispiel die drei Kapitel, in denen Kemal/Demiros Weg in die Gegenwelt geschildert wird...also ich hätte den auch so respektiert und die Freundschaft/Bruderschaft zwischen ihm und Yaominh auch anerkannt, ohne über seine schwere Kindheit Bescheid zu wissen...und die philosophischen Ergüsse von Markus in diesen Kapitel waren im direkten Vergleich was im Buch sonst so geliefert wird auch nicht so prickelnd. Von diesen Kritikpunkten gibt es im Buch noch einige, aber die werden sowieso für jeden Leser unterschiedlich sein, deswegen lohnt es sich eigentlich nicht, darauf gesondert einzugehen, vor allem, weil Unity III für mich trotzdem ein geschlossenes Ganzes und einen der coolsten Texte darstellt, den ich die letzte Zeit über lesen durfte.
Ein wenig neidisch bin ich auf jeden Fall, weil mir ein erzählender Text, der einen dermaßen starken Sog entwickelt, noch nie gelingen wollte. Unity 1 und II waren für mich unterhaltsam und leidlich spannend, Unity III ist mitreißend. Fünf von Fünf Sternen also als Fazit, aber die gelten nur, wenn dian jetzt nicht anfängt, serienmäßig solche Texte zu verfassen, dann bin ich beleidigt, verzieh mich mit Hermann Hesse in den Wald und übergieße die Unity-Fans in Zukunft nur noch mit elitärem Spott. In Unity IV darf es wegen mir also ruhig mal wieder ein wenig mehr Körperteile und ein wenig seltener Geistesblitze hageln, das Wichtigste für die nächsten fünf Jahre Unity-CommUnity dürfte in "Gegenwelt" auch gesagt worden sein. Vielleicht schreib ich noch mal eine (in beide Richtungen) objektivere Mini-Rezension, wenn ich den Text in ein, zwei Monaten noch mal gelesen hab...
Schade, dass Maria grade nicht erreichbar ist, aber will sonst vielleicht noch wer über Unity III labern? Werden außer Arne ja hoffentlich auch noch andere hier gelesen haben...hier nur mal ein Zitat, um zu zeigen, dass es sich lohnt:
[QUOTE]Steine, Holzsplitter und Teile von Erwin und Kalle wirbelten durch die Luft...[/QUOTE]
"Grrrrräslich schön" würde Reich-Ranicki da sagen :D
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[*] Verfasst am: 15.4.2007 um 01:31


Also so eindeutig vorhersehbar fand ich das überhaupt nicht in Unity II.
Mir war Major von Stahl zwar sehr sympathisch, aber ich wusste nicht so genau, ob es meine Sympathie für preußisches Pflichtbewußtsein war oder was es war.
Als Janosch hat er dann ja irgendwie die preußische Disziplin mit seinen Idealen verbunden.

Die Geschichte von Kemal fand ich btw nicht so ermüdend, sondern auch ganz interessant, aber Du hast was angesprochen, was in mir auch losging.
In Unity III denkt man wirklich daran, wie man selber was machen kann.
Und das ist das Schöne daran.
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dian




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Motto: Kein Motto

[*] Verfasst am: 15.4.2007 um 11:36


Zitat
Frage an den Autor, wenn der mitliest: war der Bewahrer-Handlungsstrang von Anfang an Teil des Plans?

Teilweise. So weit ich mich erinnern kann, waren Stauffer und Vogt ursprünglich mal ein und die selbe Person. Irgendwann habe ich dann zwei draus gemacht. In der ganz alten, damals noch als "Unity 4" betitelten Fassung, gab es tatsächlich nur Stauffer. (Im Finale standen sich damals auch nur die Gegenweltler und die Engelskinder gegenüber.) Das mit den Bewahrern habe ich also erst später eingefügt... vielleicht merkt man das an der einen oder anderen Stelle noch ein wenig. Aber rein musste das auf jeden Fall. Nicht nur aus spannungstechnischen Gründen, sondern vor allem auch, weil ich die Idee, dass ein cleverer Haufen Anarchisten wie die Gegenweltler nicht gegen einen normalen, leicht beschränkt denkenden Karrierenazi kämpfen muss, sondern gegen einen ebenso cleveren und weitsichtigen Gegenspieler, dann doch irgendwie reizvoller fand.
Und man kann ja von "unseren" Gegnern in der realen Welt auch nicht gerade behaupten, dass die wirklich komplett alle nur manipuliert und verblendet sind... sondern da gibt es ja auch viele, die wie Bewahrer agieren und die ihre zweifellos vorhandene Intelligenz und ihr Charisma nur dafür einsetzen, dass die Welt, so wie sie ihnen von ihren Vorfahren übergeben wurde, in ihren Grundfesten bestehen bleibt. Diesen Grundkonflikt konnte ich nur durch die Figur des Bewahrers richtig herausarbeiten.
Dass das manchmal ein wenig nach "Flickwerk" aussieht, ist aber auch durchaus beabsichtigt gewesen. Ich habe mich erst gar nicht großartig darum bemüht, ein und den selben Stil den ganzen Roman über beizubehalten, sondern hab einfach so geschrieben, wie es mir gerade in den Sinn kam. Und dabei kann es dann eben auch vorkommen, dass sich eine Passage wie beispielsweise der Teil mit Demiro und dem alten Markus ein wenig anders liest als der Rest.
Wenn man diesen Erzählstrang weggelassen hätte, wäre die Handlung natürlich genauso verständlich gewesen... aber es war mir schon wichtig, das Innenleben der Gegenwelt und die Verbindung zwischen Markus und den beiden Jungs etwas genauer zu beleuchten. Außerdem wollte ich unbedingt noch einige Kommentare zu den typischen "Stressern", sprich zum Phänomen der jungen, ausländischen Möchtegerngangster abgeben, von denen es ja zweifellos viele gibt, und die ich jedesmal, wenn mir in der Realität einer begegnet, auch am liebsten mal zu Markus oder Janosch in die "Therapie" schicken möchte. ;)
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Benway




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Motto: fire walk with me

[*] Verfasst am: 15.4.2007 um 12:41


Arne schrieb:

[QUOTE]Also so eindeutig vorhersehbar fand ich das überhaupt nicht in Unity II.[/QUOTE]

Ich hab auch gar nicht gemeint, dass alles direkt vorhersehbar gewesen wäre, es war mehr so, dass ich mir immer sicher war, dass dian keine Ende à la "Und sie sahen ein, dass sie Max nicht mehr helfen konnten und überlebten diese finstere Zeit als nach außen hin brave Internatsschüler" servieren würde, sondern dass alles auf das obligatorische Bullet Time-Gemetzel hinsteuert...und insofern war ich mir quasi die ganze Zeit sicher, von Unity II "bestätigt" zu werden.
"Gegenwelt" ist da anders - da wird mit der klassischen Gegenwelt eine sympathische Utopie und mit der Welt der Engelskinder eine nicht weniger sympathische Dystopie aufgebaut...letztlich aber erweisen sich beide als verfehlt und man steht als Leser sehr ratlos da...es scheint nichts zu geben, für das es sich in dieser Welt zu kämpfen lohnt....wie du schreibst, man muss sich selbst was suchen...oder damit zufrieden sein, dass Feuer eben nicht anders kann als zu brennen.
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Benway




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Motto: fire walk with me

[*] Verfasst am: 15.4.2007 um 12:42


dian schrieb:

[QUOTE]Aber rein musste das auf jeden Fall.[/QUOTE]

Da wird niemand widersprechen. Gegenwelt ist weitläufig genug angelegt, dass dieses
<>
auch richtig zur Geltung kommt.


[QUOTE]Und man kann ja von "unseren" Gegnern in der realen Welt auch nicht gerade behaupten, dass die wirklich komplett alle nur manipuliert und verblendet sind... sondern da gibt es ja auch viele, die wie Bewahrer agieren und die ihre zweifellos vorhandene Intelligenz und ihr Charisma nur dafür einsetzen, dass die Welt, so wie sie ihnen von ihren Vorfahren übergeben wurde, in ihren Grundfesten bestehen bleibt. [/QUOTE]

Ja, ganz selten trifft man mal Menschen, die sich vollauf bewusst zu sein scheinen, in welchem Spiel sie da mitspielen, die die Gesellschaft im Grunde durchschauen aber dabei zu ganz anderen Schlüssen kommen als "wir". In meiner Altersstufe erkennt man sie häufig noch an ihrem romantischen Faible für Nietzsche, wenn sie dann mal älter geworden sind, legen sie das wahrscheinlich auch ab.
Naja - es wäre schön, so einen klaren, geschlossenen Gegner zu haben. Leider gibt es den nicht bzw man muss ihn sich konstruieren (wie Yaominh das in der IMO besten Szene des ganzen Buchs, als Vogt ihn in Kapitel 36 gründlich verunsichert, klar ausspricht) - aber dann gibt es ihn nicht weniger, als wenn er sich dessen selbst bewusst wäre und sich selbst in einem jahrhundertealten Geheimbund formiert hätte.


[QUOTE]Diesen Grundkonflikt konnte ich nur durch die Figur des Bewahrers richtig herausarbeiten.[/QUOTE]

Außerdem sind die Bewahrer einfach ein extrem cooler Gegner ;), hat mich ein wenig daran erinnert, wie die Agenten im ersten Matrix-Film dargestellt wurden.

Dass Demiro auch als Platzhalter für eine Generation von Nachwuchsgangstern herhalten muss, das hab ich schon auch gecheckt...vielleicht hätte ich die drei Kapitel weniger unnötig gefunden, wenn ich selbst betroffen wäre, also schon irgendwelche richtig üblen Erfahrungen mit solchen Leuten gemacht hätte oder in so einem Milieu aufgewachsen wäre.
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